Entwurf der pädagogischen Konzeption der neuen Oberstufenschule

Ein Oberstufengymnasium in der Trägerschaft von RheinMainBildung (RMB)

Der gemeinnützige Trägerverein der Karl-Popper-Kollegstufe (KPK) hat diese nachstehende pädagogische Konzeption in Anlehnung an die Konzeption der Karl-Popper-Schule (KPS) für die zu gründende Oberstufe vorgeschlagen, um eine stimmige Weiterführung der Schülerinnen und Schüler aus beiden Sekundarstufenschulen und der gegenwärtigen KPK zu gewährleisten.

1. Die Zielgruppe

Die Schülerinnen und Schüler der beiden Sekundarstufen I-Schulen, die die Basis der Schülerschaft der zu gründenden Oberstufe ausmachen werden, unterscheiden sich von Regelschülern staatlicher Gymnasien durch einen erhöhten Bedarf an individueller Förderung. Die Heterogenität der Schülerschaft wird höher sein als in gymnasialen Gruppen der Regelschulen.

Für die pädagogische Konzeption der Oberstufe bedeutet das, dass Binnendifferenzierung ein Ausgangspunkt der unterrichtlichen Arbeit sein muss. Dies betrifft sowohl die Fähigkeit und Bereitschaft zur Leistung als auch den Stand der Persönlichkeitsentwicklung und sozialen Integration. Hier liegt daher ein Schwerpunkt der Lehrerfortbildung vor allem in den ersten Jahren.

Binnendifferenzierung – sofern sie über Alternativ- oder Zusatzaufgaben hinausgeht – ist eine anspruchsvolle Unterrichtsform. Für eine erfolgreiche Lehrerfortbildung ist daher vorbereitend nicht nur die Entwicklung von Kommunikation und Kooperation im Kollegium Voraussetzung, sondern auch die Bereitschaft der Lehrkräfte zur Veränderung ihrer vertrauten Routinen.

Bezogen auf den Hessischen Referenzrahmen Schulqualität betreffen diese basalen Anforderungen  die Dimensionen IV.1 und IV.2 (Erhalt und Weiterentwicklung beruflicher Kompetenzen; Kommunikation und Kooperation im Kollegium) sowie VI.3 und VI.4 (Umgang mit heterogenen Lernvoraussetzungen; Lernförderliches Klima und Lernumgebung).

Eine besondere Aufgabe ergibt sich daraus, dass aufgrund der Beteiligung von Schülerinnen und Schülern der KPS ein erhöhter Anteil von hochbegabten Jugendlichen mit besonderen Bedarfen (Autismusspektrum, Depression, Leistungsversagen) auftreten wird. Für deren Versorgung ist eine Expertise erforderlich, die über die Möglichkeiten der Lehrerfortbildung hinausgeht. Daher ist eine Beteiligung des Kompetenzzentrums der KPS an der pädagogischen Arbeit in der Oberstufe geplant. Nach dem Stand der Erfahrung und wissenschaftlichen Evaluation der Arbeit mit Hochbegabten sind die fördernden Wirkungen von Hochbegabtenprogrammen in gleicher Richtung wirksam auch bei Schülerinnen und Schülern im Normalspektrum der Begabung. Daher wird ein Spezifikum der pädagogischen Konzeption die Verallgemeinerung der Fördermaßnahmen für Hochbegabte auf alle Schülerinnen und Schüler sein.

2. Unterrichtsorganisation

(Der Befund der Verallgemeinbarkeit ist in den USA Grundlage des sogenannten Parallelcurriculums, das inzwischen mit einer Vielzahl von unterrichtsfachlichen Handreichungen ausgearbeitet wurde. Diese unterstützende Quelle steht für Arbeit der Oberstufe zur Verfügung.

Der Stundenplan wird in Doppel-/Blockstunden organisiert. Der Schultag enthält vier Blöcke/Doppelstunden.

Die Oberstufe wird als Profiloberstufe entwickelt. Vorbild ist die Max-Brauer-Profiloberstufe in Hamburg, deren Arbeit hier  vorgestellt wird. Grundlage sind feste Kombinationen von Orientierungskursen (E-Phase) bzw. Leistungskursen (Qualifizierungsphase) mit bestimmten Grundkursen. Bei zunehmenderSchülerzahl werden aus diesen Vorgaben bei den Fächerwahlen Profilgruppen entstehen, so dass die Schülerinnen und Schüler die Oberstufe in konstanten Gruppen durchlaufen werden. Dies bedeutet Transparenz der sozialen Umgebung unterstützt die Gruppenintegration.

Bis voraussichtlich Schuljahrsende 2025/26 werden jedoch Grund- und Leistungskurse im Sinn von Fundamentum und Additum profilübergreifend erteilt, d.h. dass die Schülerinnen und Schüler jeweils in der Einführungs- und Qualifizierungsphase in den Grundkursen gemeinsam arbeiten und nur die ergänzenden Addita (Leistungskursstunden) in den Profilgruppen stattfinden. Diese Struktur läuft bei zunehmender Schülerzahl aus, weil sich die Leistungskurse der Profile nicht überschneiden und jedes Profil ausreichend belegt sein wird, um eigene Gruppen zu bilden.

Unabhängig von der Schülerzahl soll innerhalb der Profile jahrgangsstufenübergreifende Arbeit möglich sein. Erwünscht ist dies auf der Basis von „Lernen durch Lehren“ als didaktische Fördermaßnahme, aber auch als Kooperation bei Projekten in und mit außerschulischen Einrichtungen.

Im ersten Jahr des Bestehens der Oberstufe hat die jahrgangsstufenübergreifende Arbeit auch das Ziel, die Schülerzahl in den Kursen zu erhöhen und damit für eine ausreichende Gruppendynamik zu sorgen..

Sowohl die anfängliche Organisation der Orientierungs- bzw. Leistungskurse nach Fundamentum und Additum als auch die  jahrgangsstufenübergreifende Arbeit stellen einerseits Ansprüche an die innere Differenzierung, andererseits erweitern sie die Möglichkeiten der individuellen Förderung in der neu zusammengesetzten Schülerschaft.

3. Inhaltliche Ausformung der Profilarbeit

Die Profile müssen den Vorgaben der AOVO entsprechen und in ihren inhaltlichen Wirkungen den hessischen Bildungsstandards genügen. Damit bestehen begrenztere Freiräume als bei der Max-Brauer-Profiloberstufe (diese ist teilweise vom Zentralabitur ausgenommen). Das grundsätzliche Anliegen, von den profilgebenden Fächern aus die umgebenden Kurse zu interpretieren und die Bildungsinhalte konsequent auf einen Bereich der jugendlichen Lebenswelt zu beziehen, wird dadurch eingeschränkt, bleibt aber in dem engeren Rahmen umsetzbar.

Für die Lehrkräfte der Oberstufe treten die Profile zunächst lediglich als fachliche Konstellationen auf. Die Fächer zu verbinden, Handlungsformen im Umfeld der Schule zu entwickeln und die Bildungsarbeit zu „Kompetenzprofilen“ zu verdichten muss eine gemeinsame Aufgabe der Fachkonferenzen werden. Das heißt, die Profiloberstufe ist richtunggebendes Programm, nicht aber ein beim Start vorzuhaltendes Unterrichtsschema.

Die jeweiligen Fächerkombinationen müssen für die ersten fünf Jahre die Bestimmungen für das Nichtschülerabitur erfüllen (8 Fächer). Bei den nachstehenden Angaben zu den Profilen sind die Leistungskurse die profilbildenden Fächer, die ersten vier Fächer sind die schriftlich zu prüfenden, die nächsten vier die mündlich zu prüfenden Fächer.

Die Profile der Qualifizierungsphase sind:

  1. Mensch und Umwelt
    Politik und Wirtschaft (LK), Biologie (LK), Deutsch, Englisch,
    Chemie, Mathematik (2. Fremd­sprache, Ethik)
  2. Digitale Kommunikation
    Mathematik (LK), Informatik (LK), Deutsch, Politik und Wirtschaft,
    Englisch, Physik (Ethik, 2. Fremdsprache)
  3. Sprachen und Kulturenvielfalt
    Deutsch (LK), Englisch (LK), Geschichte, 2. Fremdsprache,
    Mathematik, Biologie (Kunst oder Musik, Ethik)

Vorbereitend auf die Profile der Qualifizierungsphase wählen die Schülerinnen und Schüler in der Einführungsphase zwei vierstündige Orientierungskurse und ergänzen diese mit der im Profil zugeordneten Kombination von Grundkursen. Sie können diese Wahlen bis zum Beginn der Qualifizierungsphase verändern.

Auf Grundlage der gemeinsamen Profile entwickeln sich Gruppierungen von Schülerinnen und Schülern, die bis zur Abiturprüfung erhalten bleiben.

Inhaltlich sind die Profile eine Ausgangsbasis für fächerverbindendes Lernen und für den Umgang mit fachübergreifenden gesellschaftlichen Schlüsselthemen (Erfolgskriterium VII.1.4 hessischer Referenzrahmen) und unterstützen insofern sowohl die Vorbereitung auf gesellschaftliche Partizipation und berufliche Tätigkeit als auch allgemein die personalen Kompetenzen zum Umgang mit Wissen.

4. Individuelle Förderung

Die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler, die aus der MFS und der KPS kommen, muss beschrieben werden, um didaktisch und pädagogisch darauf eingehen zu können. Das erfordert Diagnostik, Dokumentation und Informationsfluss. Für die zu errichtende Oberstufe rückt das die Dimension VI.3 des hessischen Referenzrahmens in den Mittelpunkt. Hier werden in 3.1 die diagnostischen Instrumente beschrieben, die sich zusammensetzen aus Unterrichtsbeobachtungen, kriterienbasierten Überprüfungen im laufenden Unterricht sowie Gutachten/Tests/Diagnosebögen externer Anbieter.  Die Oberstufe fasst diese Aufgaben im Kompetenzzentrum zusammen. Von hier aus können externe Informationen interpretiert, die laufenden eigenen Erhebungen organisiert und die Lehrkräfte unterstützt werden, sowohl um valides Material zu erstellen als auch um die bereitgestellten Informationen für die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler aktiv einzusetzen. Denn nur wenn fortlaufend „aus der Diagnose auch pädagogisch-didaktische Entscheidungen abgeleitet werden“  (Referenzrahmen) ist eine methodisch begründete individuelle Förderung möglich.  

In diesem Zusammenhang wird auf die Montessori-Ausbildung der Lehrkräfte der MFS und des Leiters des Kompetenzzentrums verwiesen.

In VI.3.2, 3.3 und 3.6 geht der Referenzrahmen auf die Bedeutung von Leistungsdifferenzierung ein. Hier ist der Einsatz mindestens der Grundgedanken des Parallelcurriculums von Bedeutung, nämlich konsequent ein flexibles Anspruchsniveau innerhalb der Aufgaben zu sichern („nach oben offen“, Refernzrahmen S. 94) und in qualitativ verschiedenen Zugriffen (Parallelen) auf ein und dasselbe Thema für Variabilität der Lernarrangements zu sorgen (eine dieser Parallelen besteht immer in der Anforderung, das Thema mit der Lern- und Lebenssituation der Schülerinnen und Schüler zu verknüpfen – so auch in VI.1.3).

Individuelle Förderung, basiert auf diagnostischen Informationen und umgesetzt in flexiblen Lernarrangements, muss zwischen Lehrkräften, Kompetenzzentrum und Schülerinnen und Schülern reflektiert werden, um für letztere Entwicklungen und Herausforderungen sichtbar zu machen und eine transparente Zusammenarbeit zu unterstützen. Beides sind Grundlagen für ein lernförderliches Klima, wie es in VI.4 des Referenzrahmens beschrieben wird.